Wiedervereinigung Europa

Europe geteilt – Europa geeint

Im Jahr 1989 wurde die Weltordnung auf den Kopf gestellt. Jene Weltordnung, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Europa dominiert hat. Das Verhältnis zwischen den Supermächten UdSSR und USA verändert sich radikal. Die politischen Umwälzungen im kommunistischen Osteuropa waren von vielen Fakten abhängig. Dazu zählt natürlich der Mitte der 1980er Jahre eingeleitete Reformkurs der Perestroika (Umbau) des Generalsekretärs des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und des späteren sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow sowie Reformbewegungen in Ungarn, Polen und anderen Satellitenstaaten der UdSSR. Es folgen die wichtigsten Ereignisse in einer chronologischen Übersicht.

Jänner 2009 – Ungarn im Aufbruch

  • 11. Jänner: Ungarn ist der erste Ostblock-Staat, wo ein Gesetz erlassen wird, das die Bildung von Parteien, Gewerkschaften und anderen politischen Vereinigungen zulässt. Es wird ein Versammlungsrecht beschlossen.
  • 21. Jänner: Die USAP (Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei) verzichtet auf ihre in der Verfassung garantierte Führungsrolle in Staat und Gesellschaft. Ausschlaggebend war der druckausübende innerparteiliche Reformflügel. Das Zentralkomitee lässt ein Mehrparteiensystem in Ungarn zu und gibt damit das Machtmonopol auf.

Februar 2009 – der Runde Tisch

  • 6. Februar: Das erstes Treffen am Runden Tisch findet statt: Repräsentanten der regierenden kommunistischen Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (VPAP), der Untergrund-Gewerkschaft Solidarność, der Kirche und anderer Gruppen in Magdalenka verhandeln vom 6. Februar bis zum 5. April bei Warschau. Die politische Dauerkrise und eine Streikwelle haben die Gespräche begünstigt.

April 2009 – Beschluss freier Wahlen in Polen

  • 5. April: Die Gespräche am Runden Tisch werden beendet. In Polen wird die Wiederzulassung der seit 1982 verbotenen Gewerkschaft Solidarność beschlossen. Im Juni 1989 sollen (einigermaßen) freie Wahlen stattfinden.

Mai 2009 – die Beseitigung des Stacheldrahts

  • 2. Mai: Mit dem Abbau der Grenzanlagen an der österreichisch-ungarischen Grenze wird begonnen. Der Stacheldraht wird stückweise abgetragen – die elektrischen Meldeanlagen werden abgeschaltet.
  • 7. Mai: In der DDR können oppositionelle Bürgerrechtsgruppen eklatante Fälschungen bei den Ergebnissen der Kommunalwahlen beweisen. Es kommt zu den ersten Protesten – das Regime der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) reagiert mit einer Verhaftungswelle.

Juni 2009 – der „Eiserne Vorhang“ zwischen Österreich und Ungarn soll weg

  • 4. Juni: Bei den ersten mehr oder weniger freien Wahlen in Polen erzielt das Bürgerkomitee Solidarność einen grandiosen Sieg gegenüber den regierenden Kommunisten.
  • 27. Juni: Der „Eiserne Vorhang“ wird in einem symbolischen Akt zwischen Ungarn und Österreich zerschnitten: Ausführende sind der österreichische Außenminister Alois Mock und sein ungarischer Amtskollege Gyula Horn.

Juli 2009 – Österreich will der EG beitreten

  • 17. Juli: Österreich beantragt die Aufnahme in die Europäischen Gemeinschaften (EG). Außenminister Alois Mock übergibt dem EG-Ministerratsvorsitzenden Roland Dumas in Brüssel das Beitrittsgesuch.

August 2009 – das „Paneuropäische Picknick“

  • 19. August: An der österreichisch-ungarischen Grenze bei Sopron wird symbolisch für einige Stunden ein Grenztor geöffnet. Dieser Akt geht als „Paneuropäisches Picknick“ in die Geschichte ein. Etwa 700 DDR-Bürger schaffen es zu fliehen. Die ungarische Grenzwache weigert sich, den Schießbefehl zu befolgen.
  • 24. August: Tadeusz Mazowiecki (Solidarność) wird der erste nicht-kommunistische Ministerpräsident Polens. Er ist der allererste nicht-kommunistische Regierungschef im Warschauer Pakt.

September 2009 – Gebete und Demos

  • 4. September: In der Leipziger Nikolaikirche werden Friedensgebete abgehalten. Es kommt zur ersten „Montagsdemonstration“. Die Reisefreiheit wird gefordert.
  • 10. September: Ungarn öffnet offiziell seine Grenzen zu Österreich für DDR-Bürger. Auf eine Erlaubnis von Moskau wird verzichtet. Zehntausende DDR-Bürger fliehen über die österreichisch-ungarische Grenze in den Westen.

Oktober 2009 – Montagsdemonstrationen, Rücktritt Honeckers und „Sinatra-Doktrin“

  • 7. Oktober: Die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR werden in Leipzig und Plauen jäh durch Demonstrationen gegen das SED-Regime unterbrochen. Die Sicherheitskräfte reagieren mit Härte.
  • 9. Oktober: Die „Montagsdemonstrationen“ werden zum Massenprotest. In Leipzig gehen 70.000 Bürger auf die Straße, um ihrem Unmut gegen das Regime Ausdruck zu verleihen. Eine Woche später machen 120.000 Menschen ihrem Ärger Luft, zwei Wochen später protestieren 320.000.
  • 18. Oktober: Erich Honecker tritt als Staatsratsvorsitzender der DDR und als Generalsekretär der SED zurück. Egon Krenz wird zum Nachfolger ernannt.
  • 23. Oktober: Es folgt das Ende der Volksrepublik Ungarn: Am Jahrestag des Volksaufstands von 1956 wird die demokratische und parlamentarische Republik Ungarn ausgerufen. Die neue Verfassung Ungarns tritt in Kraft.
  • 25. Oktober: Gennadij Gerassimow (Sprecher des sowjetischen Außenministers) prägt den Ausdruck „Sinatra-Doktrin“, nach dem beliebten Song „I Did It My Way“ von Frank Sinatra. Sinatra-Doktrin bezeichnet die Entscheidung Michail Gorbatschows, die „sozialistischen Bruderstaaten“ über ihren politischen Weg selbst, unabhängig von Moskau bestimmen zu lassen.

November 2009 – die Mauer fällt!

  • 4. November: 500.000 Menschen demonstrieren auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz für Demokratie.
  • 7. November: MTV Europe strahlt das erste Live-Programm aus Ost-Berlin aus.
  • 9. November: Der Fall der Berliner Mauer, die von den Menschenmassen gestürmt wird. Öffnung der innerdeutschen Grenzen.
  • 17. November: Auf einer genehmigten Studentenkundgebung in Prag werden das Ende des kommunistischen Regimes und der Rücktritt des KP-Generalsekretärs Miloš Jakeš gefordert. Die Proteste mutieren zu einer Massenbewegung – und die „Samtene Revolution“ schreitet voran.
  • 19. November: Das in Tschechien gegründete Bürgerforum um Václav Havel und die „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ in der Slowakei sind das Sprachrohr der Protestbewegung: Es wird der Dialog mit den kommunistischen Machthabern gesucht.
  • 24. November: Der Schriftsteller Václav Havel und der Bürgerrechtler Alexander Dubček, beide Politiker des Prager Frühlings 1968, sprechen am Prager Wenzelsplatz auf einer Massenkundgebung zu den Demonstranten. Miloš Jakeš tritt mit dem gesamten Politbüro zurück.
  • 28. November: Bundeskanzler Helmut Kohl gibt überraschend im deutschen Bundestag ein „Zehn-Punkte-Programm“ für die deutsche Wiedervereinigung bekannt. In etwa zehn Jahren soll aus West- und Ost-Deutschland ein geeintes Deutschland werden.
  • 29. November: Jene in der Verfassung verankerte Bestimmung wird aufgehoben, die der Kommunistischen Partei die führende Rolle im Staat sicherte.

Dezember 2009 – der Schrei nach Freiheit

  • 3. Dezember: Die DDR-Regierung unter Willi Stoph muss samt Politbüro zurücktreten.
  • 5. Dezember: An den Grenzen zu Österreich und zur DDR wird der Stacheldraht beseitigt.
  • 7. Dezember: Ladislav Adamec, Ministerpräsident der tschechoslowakischen Föderation, muss unter dem Druck der Öffentlichkeit das Feld räumen.
  • 10. Dezember: Der Reformkommunist Marián Čalfa wird Ministerpräsident. Er bildet eine Koalitionsregierung der „nationalen Verständigung“, in welcher die Kommunisten keine Mehrheit haben. Der kommunistische Staatspräsident Gustáv Husák tritt zurück.
  • 15. Dezember: Erste Kundgebung in Temeswar – ausschlaggebend war die drohende Deportation des regimekritischen und sehr populären Pfarrers László Tőkés. Die blutige Rumänische Revolution nimmt ihren Anfang.
  • 21. Dezember: Die Protestkundgebungen in Temeswar weiten sich auf die Hauptstadt Bukarest und andere rumänische Städte aus. Bis zum 27. Dezember regiert die Gewalt – es sind 1104 Todesopfer zu beklagen.
  • 22. Dezember: 28 Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer wird das Brandenburger Tor – das Wahrzeichen von Berlin – wieder geöffnet.
  • 25. Dezember: Der rumänische Diktator Nicolae Ceauşescu und seine Frau Elena werden von einem Militärgericht verurteilt und hingerichtet. Reformkommunisten um Ion Iliescu übernehmen die Macht.
  • 28. Dezember: Alexander Dubček wird zum Parlamentspräsidenten des tschechoslowakischen Parlaments gewählt.
  • 29. Dezember: Václav Havel wird als Kandidat des Bürgerforums von den Vertretern der Föderalversammlung zum Staatspräsidenten bestimmt. Er führt die Tschechoslowakei zu freien Wahlen im Juni 1990 und wird dann auch vom neuen Parlament zum Präsidenten gewählt.

Auf seiner deutschsprachigen Website bietet das Centre Virtuel de Connaissance sur l’Europe in Luxemburg eine umfangreiche multimediale Dokumentation der jüngeren europäischen Geschichte. Zahlreiche Filme, Fotos und Dokumente können von Interessierten studiert werden.

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